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Wie werden Effekte klassifiziert und Kennzeichnungsvorschläge abgeleitet?

Basierend auf den in den Studien ermittelten letalen und subletalen Effekten wird ein Pflanzenschutzmittel als nicht schädigend, schwach schädigend oder schädigend für die jeweilige Nützlingsart klassifiziert. Das erfolgt in Anlehnung an die Verfahren des European Standard Characteristics of Non-Target Arthropod Regulatory Testing (ESCORT 2)1) sowie an die BBA-Richtlinien (BBA 1998)2), die aus den Kriterien der International Organization for Biological and Integrated Control of Noxious Animals and Plants (IOBC) (HASSAN 1992)3) hervorgegangen sind.

Aufgrund der Höhe der subletalen oder letalen Effekte sowie dem Testverfahren, mit dem die Effekte untersucht wurden, erfolgen die jeweiligen Einstufungen.
Dabei werden zwei Schemata, in Abhängigkeit von der möglichen Exposition der Tiere, unterschieden. Erfolgte eine direkte Exposition unter "worst case" Bedingungen (Labortest), gelten Prüfmittel als nicht schädigend deren Effekte < 30 % sind, als schwach schädigend bei Effekten zwischen 30 und 80 % und als schädigend bei Effekten > 80 %.

Bei Studien in erweiterten Labortests, im Halbfreiland oder in Freilandtests wird hingegen für Effekte unter 25 % in nicht schädigend, bei Effekten zwischen 25 und 50 % in schwach schädigend und Effekten > 50 % als schädigend klassifiziert. Die Klassifizierungen werden in der Datenbank mit den Ampelfarben dargestellt.
Liegen für ein Prüfmittel und eine Nützlingsart Ergebnisse aus mehreren Teststufen vor, sind für die Bewertung immer die Ergebnisse aus der höchsten Teststufe entscheidend.

Für die Ableitung von Kennzeichnungsvorschlägen für die Effekte von Pflanzenschutzmitteln auf Nützlinge werden neben den eingereichten Studien die in dem Zulassungsantrag vorgesehenen Anwendungen analysiert. Ziel ist es zu berücksichtigen, ob, wie stark und welche möglichen Nützlinge mit dem Mittel in der Praxis in Kontakt kommen können.
Voraussetzung für die Vergabe eines Kennzeichnungsvorschlages für eine Nützlingsart ist, dass diese Art in den für die Anwendung des Mittels vorgesehenen Kulturen auch relevant ist.

Sollte die geprüfte Art in der vorgesehenen Kultur nicht relevant sein, wird entsprechend stellvertretend für die Gruppe der Raubmilben und Spinnen oder Nutzinsekten ein Kennzeichnungsvorschlag erteilt.

Wird beispielsweise die Fungizidzulassung eines Mittels in Getreidekulturen beantragt, für die Studien zu Thyphlodromus pyri und Aphidius rhopalosiphi eingereicht wurden, wird für die in Getreide vorkommende Getreidebrackwespe A. rhopalosiphi ein Kennzeichnungsvorschlag erarbeitet, während für die nur in Wein- und Obstbaukulturen vorkommende Raubmilbe T. pyri ein Vorschlag stellvertretend für die Gruppe relevanter Raubmilben und Spinnen gegeben wird.
Darüber hinaus ist es von Bedeutung, wie ein Pflanzenschutzmittel angewendet werden soll.
Handelt es sich beispielsweise um Saatgutbehandlungsmittel, wird davon ausgegangen, dass vor allem bodenbewohnende Räuber mit dem Mittel direkt in Kontakt kommen. Sollten hier z. B. Studien sowohl zu boden- als auch zu pflanzenbewohnenden Nützlingen vorliegen, werden nur Kennzeichnungsvorschläge für bodenbewohnende Nützlingsarten wie z. B. Laufkäfer und Kurzflügelkäfer erarbeitet.

Wird hingegen die Anwendung eines Mittels durch Spritzen oder Sprühen auf die Pflanzenoberfläche erfolgen, werden in der Regel alle eingereichten Nützlingsarten berücksichtigt, da auch die bodenbewohnenden Räuber infolge Abtropfen und Abdrift der Spritzflüssigkeit auf die Bodenoberfläche dem Mittel ausgesetzt werden.
Die Effekte werden maßgeblich von der Exposition eines Nützlings beeinflusst. Für die Berechnung der Exposition werden die Aufwandmenge, die Anwendungsanzahl, die Abstände zwischen den Anwendungen sowie die Abbauraten der Wirkstoffe bei mehreren Anwendungen und die mögliche Abschirmwirkung des Bestandes berücksichtigt.
In der Datenbank wird die Klassifizierung für alle geprüften Nützlingsarten, zu denen Studien vorliegen, angegeben. Dabei wird die Relevanz der Nützlingsarten in den jeweiligen Kulturen oder die Relevanz der Applikationsmethoden nicht berücksichtigt.

Sind vorhandene Daten nicht ausreichend, um einen möglichen Effekt des Pflanzenschutzmittels auf die Nützlinge zu beurteilen, wird für das Pflanzenschutzmittel vom JKI keine Kennzeichnung vorgeschlagen.
Ein Beispiel dafür wären Abweichungen der in den Studien getesteten Formulierungen von dem zur Zulassung beantragten Pflanzenschutzmittel (z. B. Prüfung einzelner Wirkstoffe anstatt des vorgesehenen Prüfmittels). Es kommt vor, das die geprüften Aufwandmengen unterhalb der vorgesehenen Aufwandmenge liegen. Auch dann sind die Effekte eines Mittels auf Nützlinge nicht abschätzbar bzw. berechenbar. In der Datenbank sind diese Fälle abweichend von den Ampelfarben als orange bzw. als "unzureichende Daten" gekennzeichnet.

Für die Festsetzung der sogenannten NN-Auflagen durch das BVL erfolgt die Ableitung der Kennzeichnungsvorschläge für die höchste zugelassene Aufwandmenge, der ein Nützling ausgesetzt sein kann. Je nach Anwendungsgebiet können weitere, niedrigere Aufwandmengen zugelassen sein. Vom JKI werden in der Datenbank Klassifizierungen für alle zugelassenen Anwendungsgebiete angezeigt.

1) Candolfi, M. P., 2003: Guidance document on regulatory testing and risk assessment procedures for plant protection products with non‐target arthropods: From the ESCORT 2 Workshop (European Standard Characteristics of Non-target Arthropod Regulatory Testing): a Joint BART, EPPO/CoE, OECD, and IOBC Workshop Organised in Conjunction with SETAC Europe and EC : Held at Wageningen International Conference Centre, Wageningen, the Netherlands: 21-23 March 2000, SETAC, 2003.
2) BBA-Bewertungskriterien: Nutzarthropoden (ausgenommen Honigbienen). In Datenanforderungen und Entscheidungskriterien der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel (anonymus, 1998). Mitteilungen der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft 354, S. 96-99.
3) HASSAN, S. A., 1992: Guidelines for testing the effects of pesticides on beneficial organisms: Description of test methods. Pesticides and Beneficial Organisms IOBC/wprs Bulletin. 15(3): 1-3.

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